Joachim Pöschel, 65 Jahre, Mitglied des Gemeinderats in Philippsburg „Eine freie, gerechte und solidarische Gesellschaft braucht das Interesse, die Kritikfähigkeit und das Engagement des Einzelnen!“
"Der Mensch ist ein gesellschaftsbezogenes Wesen. Die Alternative dazu wäre ein Einsiedlerleben. Wer als junger Mensch nicht wählen geht, lässt alte Menschen über seine Zukunft entscheiden. Wer als (angehender) Abiturient, als Mensch mit Bildung nicht wählt, lässt Menschen mit einem geringeren Bildungsgrad über sein Leben entscheiden.
Eine freie, gerechte und solidarische Gesellschaft braucht das Interesse, die Kritikfähigkeit und das Engagement des Einzelnen"!
„Eine freie, gerechte und solidarische Gesellschaft braucht das Interesse, die Kritikfähigkeit und das Engagement des Einzelnen!“
Interview mit Herrn Pöschel zu seiner Arbeit im Gemeinderat in Philippsburg und warum er sich politisch engagiert
- Herr Pöschel, woher kam Ihr Interesse an der Politik? Seit wann und wieso sind Sie politisch aktiv?
Mein Interesse an der Politik wurde durch einen meiner Lehrer am Schönborn-Gymnasium Bruchsal geweckt. Sein Unterricht in Gemeinschaftskunde und Geschichte war echt spannend;
wir fingen als Schüler an, das aktuelle politische Geschehen zu hinterfragen. Als Oberstufenschüler waren wir teilweise schockiert über die globalen Konfrontationen in der Zeit des Kalten Krieges (Höhepunkt Kuba-Krise 1962),
mancher aus unserer Klasse träumte von einer anderen, friedlicheren Welt.
Mein Studium an der Uni Freiburg fiel in eine politisch heiße Zeit: die
Protestbewegung in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Schüler, Studenten und ein Teil der Professoren forderten Reformen des Bildungswesens und darüber hinaus Veränderungen der Gesellschaft. Große Teile der Bevölkerung gingen damals gegen das amerikanische Engagement in Vietnam auf die Straße. Neue Formen der politischen Beteiligung entstanden, gefordert wurde eine
>„Politik von unten“,mehr Mitbestimmung und Demokratie in zentralen gesellschaftlichen Bereichen. Autoritäten, Hierarchien, die Familienstruktur, viele bis dahin gültige Werte wurden in Frage gestellt. Eigentlich war alles im Fluss.
- Weshalb sind Sie in die Partei SPD eingetreten und nicht in eine NGO?
Mein Entschluss in die SPD einzutreten fiel in die Zeit zwischen dem Ende der Großen Koalition und der Bildung der sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt 1969.
Die SPD war Reformpartei, im Innern und nach außen. Ihre führenden Repräsentanten vermittelten den Glauben an die Veränderbarkeit der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Das Zukunftsvertrauen mündete in eine Vision von einer friedlicheren und gerechteren Welt: Entspannungspolitik, Annäherung der beiden deutschen Staaten, Aussöhnung mit den Völkern des sog. Ostblocks, Überwindung des Nord-Süd-Gegensatzes. Einen so umfassenden, nach innen und außen gerichteten Reformansatz konnten die damaligen NGOs nicht bieten.
- Wie sind Sie Gemeinderat geworden? Worüber entscheiden Sie? Macht Ihnen Ihre politische Arbeit Spaß?
Als ich 1975 in den Gemeinderat von Oberhausen-Rheinhausen gewählt wurde, wohnte ich schon sechs Jahre in dieser Gemeinde, war genauso lang verheiratet, hatte eine vierjährige Tochter und war bereits Studienrat. Mein Engagement als Pressesprecher und stellvertretender Vorsitzender des SPD-Ortsvereins war weitgehend bekannt.
Doch von Kommunalpolitik hatte ich zunächst keine Ahnung. Meine Motivation lag ja in der „großen Politik“ und nicht im Bau von Schulen, Sportstätten, Neubaugebieten und Straßen.
Das Interesse an dieser „kleinen Politik“ kam mit der Herausforderung und mit der Teamarbeit in der damaligen SPD-Gemeinderatsfraktion. Ich erkannte, dass sich auch in einer kleinen Gemeinde Reformen, Veränderungen, die den Menschen dienen und ihre Lebensqualität verbessern, verwirklichen lassen. Nach dem Umzug meiner Familie 1989 nach Philippsburg bin ich 1994 in den Gemeinderat gewählt worden und seither Vorsitzender der SPD-Fraktion.
In dieser Funktion versuche ich die Stadt strategisch auszurichten, die Lebensqualität ihrer Bürger zu verbessern, Probleme zumindest ansatzweise zu lösen (zum Beispiel Integration ausländischer Mitbürger, Bau eines atomaren Zwischenlagers, Versorgung der Bürger mit Gütern des täglichen Bedarfs usw.) und natürlich kooperativ mit den anderen Fraktionen und der Stadtverwaltung zusammen zu arbeiten.
- Was machen Sie als Gemeinderat? Was kann man als Gemeinderat erreichen? Nennen Sie uns Erfolge und Misserfolge?
Beispiele dafür sind in Oberhausen das Bürgerzentrum Wellensiek & Schalk und das Naherholungsgebiet „Erlichsee“, in Rheinhausen die Sanierung der „Alten Post“.
Ein großes Projekt, das ich zusammen mit meiner Fraktion initiiert hatte, allerdings scheiterte: Oberhausen-Rheinhausen sollte mit einer Gemeinde/einer Stadt in einem Entwicklungsland eine Partnerschaft eingehen. Eigentlich sollte es mehr eine Patenschaft sein, in die die Gemeinde jährlich 10.000 DM einbringt, um dort Kindergärten, Schulen, Krankenstationen, Trinkwassergewinnung und die Entwicklung von Gewerbe zu fördern. Die anfängliche Zustimmung im gesamten Gemeinderat war groß, immerhin besuchte der Außenminister von Burundi mit großem Gefolge unsere Gemeinde. Am Ende aber wurde dieses Projekt gekippt.
Sehr anspruchsvoll ist schließlich auch die Arbeit im Kreistag des Landkreises Karlsruhe und im Regionalverband Mittlerer Oberrhein (RVMO) seit 2009.
- Bitte teilen Sie unseren Lesern mit, wieso sie sich politisch engagieren und wieso sie wählen gehen sollten?
Der Mensch ist ein gesellschaftsbezogenes Wesen. Die Alternative dazu wäre ein Einsiedlerleben.
Wer als junger Mensch nicht wählen geht, lässt alte Menschen über seine Zukunft entscheiden. Wer als (angehender) Abiturient, als Mensch mit Bildung nicht wählt, lässt Menschen mit einem geringeren Bildungsgrad über sein Leben entscheiden.
Eine freie, gerechte und solidarische Gesellschaft braucht das Interesse, die Kritikfähigkeit und das Engagement des Einzelnen!